Vielen Dank für den sehr ausführlichen Brief zu unserem kleinen Antrag.
Den Antrag stelle nicht ich persönlich, sondern in Vertretung von „Natur statt Deponie eV.“ mit inzwischen 108 Mitgliedern und nach ausführlichen Diskussionen.
Ihre Argumentation bezüglich unseres Antrags ist einerseits (fast) vollständig richtig, wie sie andererseits ebenso vollständig an unserem Anliegen vorbeigeht.
Ich versuche das kurz zu begründen:
Natürlich ist uns klar, dass der Gesetzgeber Beteiligungsmöglichkeiten vorgesehen hat (Seite 1, Absatz 4).
Natürlich ist uns klar, nach welchem Verfahren Bürgerversammlungen stattfinden müssen und können (Seite 2, Absatz 4).
Natürlich ist uns klar, dass es keine Verpflichtung für den Gemeinderat gibt, einem Antrag der Bürgerversammlung zu übernehmen (Seite 2, Absatz 5).
Natürlich ist uns klar, dass sowohl der Gemeinderat als auch das Landratsamt sich an gesetzliche Vorgaben halten müssen (Seite 2, Absatz 6).
Natürlich ist uns klar, dass ein Rechtsanspruch bei einem Bauantrag besteht, wenn alle öffentlich-rechtlichen Anforderungen erfüllt sind. (Seite 2, Absatz 7)
Natürlich ist uns klar, dass weder das Landratsamt, noch die Gemeinde die Kompetenz haben, Gesetze zu ändern (Seite 3, Absatz 9).
Natürlich ist uns klar, dass direkt Betroffene Rechtsschutzmöglichkeiten haben (Seite 3, Absatz 10).
Natürlich ist uns klar, das Gemeinderatssitzungen öffentlich sind und daher nachzuvollziehen ist, wer wie abstimmt (Seite 3, Absatz 10).
Natürlich ist uns klar, dass die Entscheidungen der Gemeinderäte „schwierig und nicht immer angenehm“ sind (Seite 3 Absatz 10).
und natürlich ist uns klar dass die Entscheidungen nicht immer die Zustimmung aller finden (Seite 3 Absatz 8).
Von daher haben Sie mit Ihrer Argumentation vollkommen recht.
Unser Antragmöchte aber etwas anderes anregen und daher geht Ihre Argumentation ebenso vollständig an unserem Anliegen vorbei.
Im Grunde genommen wollen wir eigentlich, dass die Bürger von Seiten der Gemeinde / dem Landratsamt aktiv informiert werden und ihre Meinung wahrgenommen wird.
Entscheidend ist das Wörtchen „aktiv“.
Es macht einen Unterschied, ob Bürger von sich aus aufmerksam verfolgen müssen, welche Anträge gestellt sind. Oder ob sie wissen: wir werden informiert, wenn wir von Entscheidungen direkt betroffen sind.
Unser Fall der Verfüllung zeigt, wie schwierig es ist, aus der Formulierung des Tagesordnungspunktes die Tragweite eines Antrags zu ersehen. Der Antrag hieß „Änderung der Rekultivierung der Lehmgrube“. Daraus kann niemand erschließen, was das genau bedeutet. Wir wurden aufmerksam, weil wir über Information vom Vorhaben verfügten. Als Bohrungen gemacht wurden, haben wir angefangen, genauer nachzufragen.
Sie schreiben auch immer wieder von „interessierte“ Bürgern, die sich einbringen können. Alle Bürger haben ein Recht auf Information und Anteilnahme am öffentlichen Leben. Es hat nicht jeder die Energie und Zeit, permanent über alle wichtigen Belange in einer Gemeinde informiert zu sein.
Mit Ihrem Verweisen auf die vielfältigen Mitbestimmungsmöglichkeiten der „interessierten“ Bürger und der gleichzeitigen Betonung der Kompetenz des Gemeinderats spricht ein gewisses Misstrauen gegen die Einflussnahme und Beteiligung der Bürger. Es wird immer wieder vorgebracht, mehr Bürgerbeteiligung (z.B. Volksentscheide usw.) machen ein Gemeinwesen unregierbar und unterwerfe es der Willkür von Einzelinteressen. Beides trifft nicht zu. Da gibt es inzwischen einigen Untersuchungen in der Schweiz und Kalifornien, Staaten, in denen Volksentscheide weit verbreitet sind. Aber das fordern wir auch nicht.
Das Landratsamt könnte auch der Meinung sein: Wir finden es im Interesse der Demokratie sehr erstrebenswert, wenn Bürger sich aktiv darum kümmern wollen, was in ihrem direkten Umfeld vor sich geht. Wir werden von unserer Seite den Bürgern aktiv im Vorfeld der Entscheidung alle Informationen an die Hand geben, um die Entscheidungen auch nachvollziehen zu können.
Und diese aktive Information der Bürger tangiert in keiner Weise die Entscheidungskompetenz von Gemeinderat und Landratsamt und tangiert in keinerlei Weise, dass bei den Entscheidungen natürlich die gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden müssen.
Das Misstrauen in die Politik – dem wir entschieden entgegentreten wollen – kommt zum einen Teil daher, dass die Bürger sich übergangen fühlen, dass Entscheidungen über ihre Köpfe hinweg getroffen werden (so empfinden es zumindest viele).
Und dem wäre einfach entgegenzuwirken, wenn – gerade auf Gemeinde und Landkreisebene – die wichtigen Entscheidungen auch transparent gemacht werden.
Zugegeben: das ist mühsam und manchmal sicher schwierig. Aber eins ist sicher: wenn Bürgern die Entscheidungen transparent gemacht werden, gibt es auch Zustimmung zu Anträgen, die negative Auswirkungen auf den Einzelnen haben.
Es ist politisch ja gerade angesagt, den „kritischen“ Bürgern ein Dagegen-Image anzuheften. (Stuttgart 21, Atommülltransporte…). Dies diskriminiert engagierte Bürger und macht die berechtigten Fragen und Anregungen lächerlich. Da steckt soviel ehrenamtliches Engagement
dahinter und oft werden auch konstruktiv andere Vorschläge erarbeitet.
Wir für uns betonen immer wieder, dass wir nicht gegen den Lehmabbau waren, dass wir nicht gegen die jahrelange Bauschuttdeponie waren, dass wir nicht gegen den Kiesabbau sind. Jede Gemeinde muss auch zu einem Teil Entscheidungen auf sich nehmen, die viele nicht wollen und Einrichtungen dulden, die im Interesse der Allgemeinheit nötig sind.
Uns Bürgern ist selbstverständlich klar, dass von gewählten Vertretern Mehrheitsentscheidungen getroffen werden, die dann für alle verbindlich sind.
Aber dass wir bei Entscheidungen, die sich ganz direkt auf unser persönliches Lebens – Umfeld auswirken, auch entsprechend informiert und gehört werden wollen, sollte ebenso selbstverständlich sein. Und wie gesagt, informiert werden wollen ohne permanent das Gefühl zu haben, auf der Hut sein zu müssen.
Und natürlich können sich Gemeinden und Landratsamt bei den Gesetzgebungsgremien (Land Bayern und Bundestag) dafür einsetzten, dass bei allen Entscheidungen, die die Landkreise und Gemeinden treffen müssen, die Bürgerbeteiligungsrechte gestärkt werden.
Und natürlich kann die Gemeinde freiwillig von sich aus sagen, wir informieren die Bürger in einer Versammlung – in unserem Fall – über das Vorhaben der Firma Soladis.
Und natürlich kann das Landratsamt – wieder in unserem Fall – die Gemeinde Woringen informieren, über deren Straßen 50% des Verkehrs zur Lehmgrube Hackenbach fließen soll.
Auch wenn dies über das gesetzlich vorgeschriebene Maß an Bürgerbeteiligung hinausgeht.
Dies würden wir uns wünschen.
Mit freundlichen Grüßen
Rupert Reisinger
Im Namen von
Natur statt Deponie e.V.
Erhalt von Natur, Landschaft und Lebensqualität
1. Vorsitzender: Rupert Reisinger
Hackenbach 6, 87758 Kronburg
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