Landratsamt Unterallgäu
z. H. Herr Daser
Bad Wörishofener Str. 33
87719 Mindelheim
Leader-Projekt: „Flussraum Iller-Wasserkraft und Natur am Illerdurchbruch erleben!“ Illerstufe 6 – Legau – Neubau Illersteg
Sehr geehrte Damen und Herren,
vielen Dank für die Zusendung der Planunterlagen und vielen Dank, dass wir zu diesem Antrag eine Stellungnahme abgeben können.
Der Verein „Natur statt Deponie e.V.“ nimmt zum Antrag „Leader-Projekt: Flussraum Iller-Wasserkraft und Natur am Illerdurchbruch erleben! Illerstufe 6 – Legau – Neubau Illersteg“ wie folgt Stellung:
Unser Verein
Der Verein „Natur statt Deponie e.V. – Erhalt von Natur, Landschaft und Lebensqualität“ besteht seit 2010 und hat aktuell 108 Mitglieder.
Laut Satzung setzt sich unser Verein dafür ein, dass mittel- und langfristig die Naturerhaltung und dadurch die Erhöhung der Lebensqualität gestärkt und die Zerstörung der Natur und die Belastung der Umwelt zurückgedrängt werden.
Dies wollen wir erreichen durch Informationsveranstaltungen, Zusammenarbeit, Aufklärung und Einflussnahme auf die Entscheidungsgremien und die Vernetzung von Vereinen und anderen Institutionen, die ähnliche Ziele verfolgen.
Zudem beschäftigen wir uns seit unserer Gründung 2010 mit Überlegungen zu sanftem Tourismus im Illerwinkel. Dazu haben wir im Frühjahr 2014 ein 15-seitiges Konzept „Sanfter Tourismus im Illerwinkel” erstellt.
Chronologischer Ablauf der Entscheidung
• Im Juni 2013 gab es im Landratsamt die Vereinbarung mit BEW über die Finanzierung der Restsumme von 410.000,00 – das sind für den Landkreis 205,000,00 €
• Im Juli 2013 stimmte die Aktionsgruppe LAG Kneippland Unterallgäu und Oberallgäu für das Projekt und genehmigte 435.126,00 € Leader Gelder
• 08.08.13: Kreisausschusssitzung mit Herrn Klocke als Referent, das Projekt wurde einstimmig genehmigt.
Damit war das Projekt finanziell gesichert und politisch genehmigt. Laut Aussagen von Landrat Herrn Weirather musste es schnell gehen, da Ende 2013 die damalige Finanzierungsperiode für Leader Gelder auslief.
• November 2013: Kronburger Bürger kamen auf unseren Verein zu und fragten um unsere Meinung zu diesem Projekt.
• Oktober / November 2013: bei den Gemeinden Bad Grönenbach, Legau und Kronburg wurde um eine Beteiligung von jeweils 25.000,00 € nachgefragt. Herr Klocke und Herr Marschall stellten das Projekt den Gemeinderäten vor.
• Die Gemeinden Bad Grönenbach und Legau stimmten zu, die Gemeinde Kronburg hat die Beteiligung am 24.02.2014 einstimmig abgelehnt.
Danach begann die Einbeziehung der Bürger:
• Am 06.12.2013 fand das erste Bürgergespräch in der Umweltstation Legau statt, an einem Freitag um 10:00 Uhr. Es waren ca. 50 Personen anwesend.
• Am 16.01.2014 fand auf Einladung der Gemeinde Kronburg und des Vereins “Natur statt Deponie e.V.” um 20:00 Uhr in der Brauereigaststätte Schweighart eine Informationsveranstaltung statt. Es waren ca. 180 Personen anwesend. Es war eine Podiumsdiskussion mit Befürwortern und Gegnern.
• Am 31.01.2014 fand das zweite Bürgergespräch in der Umweltstation Legau statt, wieder an einem Freitagvormittag um 10:00 Uhr. Es waren ca. 50 Personen anwesend.
• Februar 2014: Gespräch mit den Oberbinnwanger Bürgern über ihre Befürchtungen und Vorstellungen mit Herrn Klocke und Herrn Marschall vom Landratsamt
• Februar 2014: runder Tisch im Landratsamt Memmingen auf Anregung des Vereins “Natur statt Deponie e.V.” mit Herrn Landrat Weirather, Herr Marschall, Herr Klocke (BEW), Herr Kunze (Landesbund für Vogelschutz) Herr Walk (Planer Illerradweg), Herr Mayer und Herr Reisinger (Verein “Natur statt Deponie e.V.”)
Am 05.06.2014 wurde von der BEW der Antrag eingereicht.
Diese Chronologie verdeutlicht, dass alle wesentlichen Entscheidungen bereits gefallen waren als die Bürger und Gemeinden in den Prozess mit einbezogen wurden.
Leader Gelder
Mit dieser Entscheidungsfolge wurden zwei wichtige Prinzipien der Leader Vorgabe ignoriert:
1. Mit der Entscheidung der Leader Stelle vom Juli 2013 wurde entscheidend der von Leader geforderte „Bottom up-Ansatz“ verletzt, der besagt, dass Leader Projekte von und mit den Bürgern erarbeitet werden und erst dann eine Finanzierung durch Leader Gelder stattfinden kann.
2. Die Gelder wurden bewilligt, ohne dass Voruntersuchungen bezüglich der Folgen für Natur und Umwelt vorlagen. Verträglichkeitsprüfungen lagen ebenso wenig vor. Auch dies ist bei der Zuteilung von Leader Geldern notwendig.
Aus diesen zwei zwingend geforderten Vorgaben der Leader Vergabe ist unserer Meinung nach die Auszahlung der Leader Gelder nicht möglich.
Dazu kommt:
• Dass sowohl der “Bund Naturschutz”, der “Landesbund für Vogelschutz” und unser Verein „Natur statt Deponie e.V.“ gewichtige Einwände gegen den geplanten Illersteg vorbringen können und diesen geplanten Übergang daher ablehnen.
• Dass die Gemeinde Kronburg sowohl den erbetenen Zuschuss von 25000,00 € am 24.02.2014 einstimmig abgelehnt hat. Ebenso einstimmig abgelehnt haben die Gemeinderäte den Antrag zum Illersteg am 30.06.2014.
• Dass die Gemeinde Legau die Zustimmung zum Antrag am 24.06.2014 wegen zu vieler offener Fragen zurückgestellt hat.
• Dass viele Bürger in Leserbriefen in der Memminger Zeitung, in der Online Umfrage der Memminger Zeitung und in vielen Redebeiträgen auf den Versammlungen ihre Ablehnung des Illerstegs zum Ausdruck gebracht haben.
Dies belegt unserer Meinung nach eindeutig, dass dieses Projekt nicht im mehrheitlichen Interesse der Bewohner des Illerwinkels durchgeführt wird.
Aus diesen Gründen ist unserer Meinung nach der Antrag in dieser Form nicht genehmigungsfähig.
Zum Antrag Illersteg
Auf den oben aufgeführten Versammlungen und in vielen Beiträgen der betroffenen Bürger wurden vielfältige Forderungen gestellt. Auf den Versammlungen betonten sowohl Herr Klocke von der BEW als auch Herr Marschall vom Landratsamt, dass die Einwendungen der Bürger ernst genommen und in den Antrag mit aufgenommen werden.
Die Forderungen waren im Wesentlichen:
• die Parkplatzsituation vor allem in Oberbinnwang eindeutig zu regeln
• die Zufahrt von Legau zum Steg eindeutig zu klären
• darauf hin wurde ein Besucherlenkungskonzept versprochen
• die Verantwortlichkeit über „Wildparker“ in Oberbinnwang und Legauer Seite
eindeutig zu klären
• die Gefahren der Zufahrt an der Steilstelle am Hang in Oberbinnwang eindeutig zu regeln
• die Versicherungsfrage bei möglichen Unfällen eindeutig und rechtssicher zu klären
• die Verantwortlichkeit bei Schäden eindeutig zu klären
• die Beseitigung des anfallenden Mülls eindeutig zu klären
• bei der Umweltverträglichkeitsprüfung nicht nur den engen Bereich des Stegs einzubeziehen
Von all den hier aufgeführten Forderungen findet sich keine Einzige im vorliegenden Antrag verbindlich geregelt. Es ist die Rede von „soll“, „wird überlegt“, „ist geplant“, „gegebenenfalls“ „zur Not“.
Es wurden sowohl die Bürger als auch die Gemeinden im Vorfeld in der Entscheidung übergangen, auch ihre Forderungen und Wünsche bei den danach stattfindenden Bürgerbesprechungen finden sich im Antrag nicht wieder.
Dies legt die Vermutung nahe, dass nach der Errichtung des Steges die Verantwortlichkeit für all diese Fragen bei den Gemeinden liegt und die Gemeinden dies dann im Interesse der Bürger klären müssen.
Dies ist auch der entscheidende Grund, warum die Gemeinde Kronburg den Antrag einstimmig abgelehnt hat und die Gemeinde Legau die Entscheidung zurückgestellt hat.
Auch aus diesen Gründen ist unserer Meinung nach der Antrag in dieser Form nicht genehmigungsfähig.
Zur Sinnhaftigkeit des Illersteges
Auf allen Versammlungen wurden sowohl von BEW, Landratsamt und Herrn Walk, dem Planer des Illerradweges immer wieder die Bedeutung des Steges für den Illerradweg hervorgehoben.
Dies war immer eine wesentliche Voraussetzung für die Begründung des Übergangs.
Auf der Sitzung des Gemeinderates am 30.06.2014 in Kronburg sagte Herr Klocke, dass der Übergang für den Illerradweg eine geringe Bedeutung hat und für die „Naherholung und Freizeitaktivitäten im Illerwinkel“ (walkmanagement S. 3) gebaut wird.
Dies ist eine vollständige Abkehr von den bisher auf allen öffentlichen Versammlungen geäußerten Gründen.
Dies bestätigt Herr Walk in seinem Gutachten. Er schreibt: „Die Erfahrung zeigt, dass die hier angesprochene Radfahrer-Zielgruppe überwiegend von Etappenziel zu Etappenziel plant und nur sehr ungern Abweichungen von der ausgewiesenen Hauptroute akzeptiert“ (walkmanagement S. 3).
Herr Walk stellt in seinem Gutachten außerdem dar, das der Steilhang in Oberbinnwang für die Radfahrer gefährlich und im Prinzip für Kinder nicht geeignet
ist. Er schreibt: „eine kurze Betonpiste im steilen Kurvenbereich, welche nach ADFC-Kriterien als Gefahrenstelle, vor allem für Kinder einzustufen ist“. (walkmanagement S. 9)).
Dies bedeutet in der Konsequenz, dass nicht wenige Radfahrer des Illerradwegs – wie immer wieder dargestellt – den Steg nutzen werden, sondern eine wesentlich größere Zahl von Nahtouristen und dass er für die Nutzer auch noch gefährlich ist.
Aus diesen Gründen ist unserer Meinung nach der Steg in dieser Form nicht nötig und der Antrag daher abzulehnen.
Gefahr für die Umwelt
Zu diesem wesentlichen Aspekt werden der Bund Naturschutz und der Landesbund für Vogelschutz fundierter Aussagen machen können, als wir dies vermögen.
Wir möchten im Wesentlichen folgende Punkte festhalten:
• Durch das gewählte Verfahren einer wasserrechtlichen Genehmigung ist keine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) notwendig, sondern lediglich eine UVPG-Vorstudie. Dies halten wir aufgrund der Bedeutung der Pommersau für viele Tier- und Pflanzenarten für nicht ausreichend. Deshalb fordern wir die Änderung des Genehmigungsverfahrens.
• Es fehlen wesentliche Antragsunterlagen, wie der „Landschaftspflegerische Begleitplan“.
• Es wird in allen Gutachten nur der sehr enge Bereich der Brücke untersucht. Es fehlt eine Untersuchung, welche Auswirkung die vermehrte touristische Nutzung auf das gesamte FFH Gebiet hat.
• Im gesamten Antrag und in den Gutachten wird die Annahme zugrunde gelegt, dass wenige Besucher bzw. Besucher im “verträglichen Maß” kommen werden. Es fehlt unserer Meinung nach die Untersuchung eines Szenarios mit vielen Besuchern. Dies hat wesentlich andere Auswirkungen auf die Tier und Pflanzenwelt.
• Frau Puscher stellt in ihrem Gutachten fest: „Zusammenfassend ist das Vorhaben aufgrund seiner geringen qualitativen und quantitativen Auswirkungen sowie seiner Lage in einem bereits technisch genutzten Bereich der Iller nicht geeignet erhebliche Beeinträchtigungen von Natur und Umwelt auszulösen. Über die Planung hinausgehende Erschließungsmaßnahmen würden jedoch zu erheblichen Beeinträchtigungen von Natur und Umwelt führen“ (Puscher S.7). Dies bedeutet, dass in diesem Gebiet dann keine weiteren Maßnahmen möglich sind ohne die Umwelt “erheblich“ zu schädigen. Der geplante Ausbau des Steilhanges von der Pommersau nach Oberbinnwang ist dann aus diesen Gründen eine weitere Maßnahme in die Natur und daher nicht möglich.
• In der UVPG wird als Fazit dargestellt: „Zukünftig ist jedoch auf potentielle
Risiken zu achten, die sich durch Summation mit weiteren noch nicht
geplanten, jedoch bereits angedachten Planungen ergeben können“. Daraus geht hervor, dass weitere Planungen vorgesehen sind. Diese müssen im Antrag benannt sein und ebenfalls in die Umweltverträglichkeitsprüfungen mit einbezogen werden. Alle weiteren Planungen sind dann nicht mehr möglich.
• Die „Dokumentation der FFH-Verträglichkeitsabschätzung“ ist in keiner Weise aussagekräftig. Es wird im Prinzip nur angekreuzt: „Vorhaben ist mit dem Schutzzweck bzw. den Erhaltungszielen verträglich“.
Auch aus diesen Gründen ist unserer Meinung nach der Antrag in der vorliegenden Form nicht genehmigungsfähig.
Sanftes Tourismuskonzept Illerwinkel
Auch unser Verein „Natur statt Deponie e.V. – Erhalt von Natur, Landschaft und Lebensqualität“ tritt für die Förderung des Tourismus im Illerwinkel ein. Der Illerwinkel bietet ein großes Potential für Tourismus. Der Illerwinkel kann in den Bereichen „Natur, Kultur und Genuss“ (so der Titel unseres Konzeptes) einiges vorweisen.
Ebenso sind wir der Meinung, dass die Naturschönheiten der Bevölkerung zugänglich sein sollen.
Aber gerade im Sinne des sanften Tourismus finden wir die Erhaltung der letzten beruhigten Räume der Natur besonders wichtig. Das bislang wenig genutzte FFH-Gebiet „Illerdurchbruch zwischen Reicholzried und Lautrach“ sollte auf Grund seiner besonderen Naturausstattung besonders geschützt werden.
Unserer Meinung nach gibt es sinnvollere Standorte für Brücke und Kiesstrand, die weniger in relativ unberührte Natur eingreifen.
Fazit
Der Verein „Natur statt Deponie e.V.“ hält die Zuweisung der Leader Gelder aus oben ausgeführten Gründen für nicht zulässig. Daher ist die geplante Finanzierung in der dargestellten Form nicht möglich.
Durch die zuletzt geäußerte Aussage, dass der Übergang für den Illerradweg nicht nötig ist, entfällt auch eine der wesentlichen Gründe für den Übergang.
Unserer Meinung nach ist der geplante Steg wegen der nicht vollständigen Unterlagen und der auch durch die Gutachten nicht auszuschließenden negativen Auswirkungen auf die Tier- und Pflanzenwelt im FFH-Schutzgebiet in dieser Form nicht genehmigungsfähig.
Zum Antrag – Leader-Projekt: „Flussraum Iller-Wasserkraft und Natur am Illerdurchbruch erleben!“ Illerstufe 6 – Legau – Parallelgewässer – Tretbecken – Illerstrand geben wir keine Stellungnahme ab.
Mit freundlichen Grüßen
Für den Verein „Natur statt Deponie e.V. – Erhalt von Natur, Landschaft und Lebensqualität“,
der Vorstand
Rupert Reisinger, 1. Vorsitzender
Hannes Mayer, 2. Vorsitzender
Agnes Keilhofer, Kassiererin
Eine Kopie des Schreibens geht an:
• Herrn Edelberth Babl, Leader-Manager, Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Kempten
• 1. Bürgermeister Herr Gromer, Gemeinde Kronburg
• Landesbund für Vogelschutz, Vorstand und Geschäftsführung
• Bund Naturschutz, Vorstand und Geschäftsführung
• Naturfreunde Memmingen, Vorsitzende Frau Pfalzer
• Barbara Lochbihler, EU-Abgeordnete